Netze und Implantate (Neu)
- PD Dr.med.Eckhard Löhde
- 16. Jan. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Okt. 2024
Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser!
Immer wieder wird das Thema „Netz“ angeschnitten und Fragen tauchen auf, die tief in die chirurgischen Techniken und mögliche Risiken hineinreichen. Das ist ein umfangreiches Gebiet., aber ich versuche gerne, Ihnen auch solche Themen komprimiert näherzubringen.
Die Anwendung von Netzen hat ihren Ursprung in der Hernienchirurgie, also einfacher gesagt, der Chirurgie von Löchern überwiegend in der Körperhülle. So gibt es Leistenhernien, Nabelhernie, Schenkelhernie, Narbenhernie, Bauchwandhernien und auch Zwerchfellhernien. Der Begriff "Bruch" ist geschichtlich überliefert, denn vor 200 Jahren zogen die sog. "Bruchschneider" durchs Land und operierten Leistenbrüche ohne Narkose an festgebundenen Patienten. Ein furchtbares Unterfangen für beide, den Patienten und den Bruchschneider. Niemand wollte sich operieren lassen und erst, wenn es einfach nicht mehr ging und der Bruch zu groß oder gar eingeklemmt war, vertraute man sich damals den chirurgschen Kollegen an.
Durch neue technische Entwicklungen gelang es, Kunststofffäden flächig zu einem Gitterwerk, einem Netz, zu verweben. Es wurde möglich, Löcher nicht nur schmerzhaft zuzunähen, sondern einfach mit einem Netz abzudecken und so die Patienten zu heilen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, wahrhaftig schweren Komplikationen und Diskussionen zwischen Gegnern und Befürwortern der Netztechnik setzte sich das Verfahren durch.
Fazit: Ein Netz ist hervorragend geeignet, um Schwachstellen im Körper auszugleichen und zu stabilisieren. Nur muss man die Wirkung und das Verhalten eines Netzes im Körper kennen und die Anatomie und Funktion des Operationsgebietes beachten.
Doch zurück zum Zwerchfell. Sie haben sicherlich bemerkt, dass Brüche allgemein in einen Topf geworfen werden: Leistenbruch, Nabelbruch, Narbenbruch und leider auch Zwerchfellbruch. Aber gerade der Zwerchfellbruch ist anatomisch und funktionell vollkommen anders aufgebaut als alle anderen Brüche! Beim Zwerchfellbruch geht es nicht um den Verschluss eines Loches, sondern um die Rekonstruktion einer Funktion! Dass sich der Magen im Zwerchfell vielleicht ein bisschen in den Brustraum vorgewölbt hat, wie bei einem Leistenbruch, kann man gar fühlen oder sehen. Es ist auch nicht schlimm oder gar gefährlich. Was wir aber deutlich verspüren ist der damit verbundene Funktionsverlust mit Sodbrennen, Husten, Aufstoßen u.s.w.!
Das bedeutet: Wir dürfen die Techniken der Leistenhernien-Chirurgie nicht einfach auf das Zwerchfell übertragen und irgendwie hoffen, dass es hilft! Das geht nicht gut! Denn alle Netze aus der Leistenbruch-Technik sind 2-dimensional flächig und werden wie Briefmarken auf das Zwerchfell geklebt, mit Metallkrampen verankert oder gar um die Speiseröhre herumgewickelt. So entsteht ein gefährlicher Kontakt der oft großen, bis zu 15x10cm messenden Netze, zu Leber, Magen und Speiseröhre. Das Antackern derartiger Netze birgt lebensgefährliche Verletzungen. Bekannte Chirurgen in Deutschland haben sogar den störenden linken Leberlappen einfach aus seiner Verankerung herausgeschnitten, um so diese riesigen Netze irgendwie auf dem Zwerchfell platzieren zu können. Mit den schlimmsten Folgen behaftet sind die Verfahren, bei denen die Netze um die Speiseröhre herumgewickelt werden. Irreparable Wandschäden an der Speiseröhre mit anschließender Organentfernung sind bekannt.
Diese und viele andere Probleme durchziehen die Zwerchfellchirurgie seit Jahrzehnten. Ist es da ein Wunder, dass die Internisten, Hausärzte und auch verantwortungsvolle Chirurgen, bei dem Wort „Netz“ erst einmal zusammenzucken und rotsehen?Nein, denn sie alle haben sicherlich selbst Patienten betreuen müssen, die an den Folgen anfänglich hoch gelobter, aber später verworfenen chirurgischer Verfahren gelitten haben oder noch immer leiden.
Aber was ist nun der Unterschied zum Netz beim l.oe.h.d.e.-Verfahren?
Das DeltaMesh verfolgt eine vollkommen neuartige Netzkonzeption, die von mir spezifisch für die Hiatushernie entwickelt wurde. Die Grundlage dazu waren unsere neuen Erkenntnisse zur Funktion von Speiseröhre und Hiatus und das Wissen um die anatomische Besonderheit im Zwerchfell.
Das DeltaMesh-Prinzip beruht der Wiederherstellung der inneren Stabilität der Muskulatur und das Netz wurde exakt an die räumliche Struktur des Hiatus im Körper angepasst. Die 3-dimensionale Netzstruktur ermöglicht die tiefe 2-achsige Einbettung der gerissenen zarten Zwerchfellmuskeln.
Durch den entscheidenden Zentralsteg wird eine aktive Stoß-auf-Stoß Muskelfusion induziert mit höchster Stabilität gerade gegenüber den hier vorherrschenden bilateralen und axialen Kraftvektoren. Die durchneidenden Kräfte von Nähten werden durch schützenden hinteren Flügel des DeltaMesh flächig abgefangen. Das DeltaMesh ist ausschließlich auf die Fusion des sog. „target tissue“, also der kleinen Zwerchfellmuskeln als Zielgewebe ausgelegt, und spart daher andere Gewebestrukturen aus.
Daher bleibt es klein und misstlediglich lediglich 2-3cm, nicht 15x10cm(!) wie andere Netze. Das DeltaMesh liegt außerhalb der Bauchhöhle ohne Kontakt zu Magen und Darm. Es bedarf auch keiner speziellen Befestigung etwa mit gefährlichen Tackern oder Klebern, sondern wird von den normalen Nähten des l.oe.h.d.e.-Verfahren in sein Zwerchfellbett eingezogen. Ein Ausreißen ist somit nicht möglich.
Die spezielle Deltaform ist auf die angreifenden Kraftvektoren im Hiatus ausgelegt. Dadurch deckt das DeltaMesh nicht ein Loch ab, wie sonst in der Herniechiorurgie, sondern verstärkt die innere Stabilität der Muskulatur gewissermaßen als Hilfe zur Selbsthilfe. Daher darf das DeltaMesh mit dem l.oe.h.d.e.-Verfahren nicht in einen großen "Topf" der herkömmlicheNetzimplantate geworfen werden.
Oft werde ich gefragt, ob man die l.oe.h.d.e.-Verfahren nicht auch ohne DeltaMesh durchführen kann. Ja, das kann man, und jeder Patient wäre anschließend ebenso gesund wie alle anderen. Nur Nähte allein können den starken Belastungen im Hiatus nicht dauerhaft widerstehen. Das Rezidiv wäre vorprogrammiert.
Daher müssen jedem gebrochenen Zwerchfell helfen, zu erstarken und stabiler zu werden als je zuvor. Erst dann wird es sich gegen alle Kräfte auch in Zukunft erfolgreich zur Wehr setzen können. Genau das ist die Philosophie des entwickelten DeltaMesh.
Liebe Leserin, lieber Leser. Ich hoffe, ich konnte Ihnen die trockenen Inhalte und Hintergründe der Netzapplikation etwas bildhafter darstellen, denn sie haben eine große Bedeutung in der Chirurgie.
Ihr
Dr. med. Eckhard Löhde
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